Was ist Glas?
und was man damit machen kann...
Formen und Funktionen
Glas ∗ tritt in zunächst ganz unterschiedlichen Erscheinungen und Anwendungen auf:
als Hohlglas: Behälterglas, Flaschen, Trinkgläser, u.s.w. - allgemein: geblasenes Glas
aber auch als Flachglas: Fenster-, Spiegel- oder Floatglas ∗ , Guss- und Ornamentglas ∗, sowie auch als Brillengläser oder Linsen, oder historisch als Mondglas∗, Butzenscheiben∗, oder Antikglasscheiben (für Kirchenfenster)∗, um nur einiges zu nennen
Wenn man Glas als Material weiter verarbeiten möchte, taucht es aber oft auch noch in anderen Formen auf:
Linsenpresslinge∗, Glasblöcke, Glasprismen zur Weiterverarbeitung in der optischen Industrie;
Farbglaszapfen∗, Glasstäbe und -Röhren∗ als Halbfertigprodukte zur Weiterverarbeitung vor der Lampe oder am Ofen;
Glasbrocken, Glasfritte∗, Glaskrösel∗, Glasmehl als Rohmaterial für Scherbenschmelze und Malerei oder andere Dekorationstechniken.
Chemie der Gläser
Grundsätzlich kann man Gläser auch nach ihrer chemischen Zusammensetzung einteilen:
Acrylglas, Polycarbonatglas sind Beispiele organischer Gläser∗ im Gegensatz zu den Silikatgläser:
Das „Normalglas“ ist das Kalk-Soda-Glas∗ für fast alle Anwendungen;
Kristallglas∗ ist eine Handelsbezeichnung für Gläser, die einen Mindestmengenanteil an bestimmten Oxiden enthalten, z.b. das Bleikristallglas, und i.d.R. besser geeignet ist für die händische Verarbeitung;
Boro-Silikat Gläser∗ sind temperaturwechselbeständige Hartgläser für Labor und Haushalt wie Reagenzgläser oder Glas-Kaffeekannen, und werden auch häufig benutzt um "vor der Lampe" Glas zu blasen ∗;
Glaskeramik∗ ist noch besser temperaturwechselbeständig, z.B. für Herdplatten und Ofensichtfenster, und hat neben besonderen Zusammensetzungen einen speziellen Herstellungsprozess zur gezielten Devitrifikation∗, d.h. der partiellen Umwandlung des Glases zu einer Keramik in ihrem inneren Aufbau;
Quarzglas∗ hat eine noch höhere Temperatur-Beständigkeit, Härte und hohe UV-Durchlässigkeit z.B. für spezielle Lampen;
während Wasserglas∗ ein in Wasser kolloidal gelöstes Natrium- oder Kalium-Silikat ist, oft als mineralisches Bindemittel benutzt.
chemische Zusammensetzung von Gläser
Abstrakt kann man die Zusammensetzung der Silikatgläser als der einer Schmelze der Mischung von Oxiden 1-, 2- 3- und 4-wertigen∗ chemischer Elemente beschreiben,
im einfachsten Fall: 1 mol Alkalien (Na2O, K2O) plus 1 mol Erdalkalien (CaO, MgO oder auch PbO, BaO, ZnO) auf 4-6 mol SiO2, oft ergänzt mit kleineren Anteilen Al2O3 (und wenn nur aus dem Schamotte des Hafens gelöst, denn flüssiges, heißes Glas 'frisst' an der Keramik). Und nicht, dass das jetzt fixe Proportionen sind: es gibt viele mögliche Kombinationen und mögliche Anteile, nur dass sich dann eben Eigenschaften verändern und damit jedes Glas sich (ein bisschen) anders verhält. Man könnte pauschal sagen, dass Alkalien∗ das Glas „weich“ machen, Erdalkalien∗ das Glas „kurz“ und der Anteil der 3- und 4-wertigen es „hart“ machen.
Glas schmelzen
Wählt man im ersten Beispiel 1 Na2O mit 1 CaO zu 5 SiO2, in ihren molekularen Teilen, hat man im geschmolzenen Glas eine Gewichtsanteil von (grob gerundet) 15:13:72 auf 100 Gewichtsteile Glas und dafür einen Glassatz∗ aus den Rohstoffen Soda (calziniert), Kalk und Quarzmehl: 25:24:72 (hat man jedoch gerade nur 'Natron', dann davon aber bitte 40 Teile).
Wenn man die Pulver gut gemischt in einen feuerfesten Hafen (Schale, Tiegel oder Wanne) auf Temperaturen von über 1000°C bringt, schmilzt das Soda und löst dabei das Kalzium- und Siliziumdioxid auf, die Kohlensäure entweicht aus den Carbonaten und es bildet sich als Rauschmelze∗ ein sehr blasiges, zähes Glas; steigert man die Temperatur weiter (bis über1450°C in der Industrie) wird das Glas flüssiger, Gasblasen (CO2) steigen leichter auf und das Glas wird geläutert; um es dann zu verarbeiten senkt man die Temperatur wieder auf 1100 - 1250°C, je nach dem wie und was man damit tun will...
Schmelzöfen
Und wie das auch schon den Menschen vor 3500 Jahren in Mesopotamien, Ägypten oder der Levante gelungen ist, ganz ohne Gas, Elektrizität und modernen, hochfeuerfesten Materialien∗, funktioniert es in einer kleinen Porzellanschale in einem kleinen Keramikofen∗ als Schulversuch noch einfacher.
In der Industrialisierung ist der traditionelle Hafenofen∗ zunehmend von Wannenöfen∗ mit regenerativer Beheizung abgelöst worden. Die Größe allein schon bringt eine größere Effizienz, da der Energiebedarf u.a. von der Ofenoberfläche bestimmt wird, die im Gegensatz zum Volumen aber nur im Quadrat statt im Kubik wächst. Die kontinuierlichen Öfen sind gekennzeichnet durch die Abwandlung des zeitlichen Prozesses, wie oben beschrieben, in einen räumlichen, bei dem das flüssige Glas die verschiedene Stadien wie ein Fluss durchläuft. Dieser durchgehenden Betrieb über die gesamte "Ofenreise"∗ und die maschinelle, hoch automatisierte Fertigung machen die heutige Massenproduktion an Hohl- und Flachglas erst möglich.
Glasfarben – Farbglas
Bei Vorhandensein von Chromophoren∗ [farbgebende Stoffe] wie Eisen (gelb-grün-blau), Chrom (grün), Mangan (violett-braun), Kupfer (blau oder rot), Kobalt (blau) aber auch Gold (rot-rosa), Selen (rosa), oder Cadmium (gelb-rot) färbt sich die Glasmasse, während Zugaben von zinn-, fluor- oder phosphorhaltigen Verbindungen das Glas trüben können und opake Milchgläser ergeben.
Nicht entfärbte Gläser∗, wie Fensterglasscheiben, besonders bei größerer Dicke oder wenn man quer zur Bruchkante schaut, sind meist von grünlich-bläulicher Farbe. Das hat seinen Grund in einer geringen Verunreinigung mit Eisenverbindungen des Quarzsandes, der ja oft mehr oder weniger gelblich ist, während farbloses Glas nur mit reinsten Rohstoffen zu gewinnen ist.
Giftigkeit und Beständigkeit∗
Während die Rohstoffe von Gläsern immer mit besonderer Vorsicht zu hantieren sind, z.b. wegen Schädigung der Lunge durch Quarzmehl, silikathaltigen Stäube oder gar Asbest, Giftigkeit der Schwermetallverbindungen wie Pb, Cu, Co, Cd oder die Gefahr als karzinogene (Cr, Co, Ni), Keimbahn schädigende (B, Mn) oder umweltschädlichen (Zn, Ba) Verbindungen, um nur einige der Gefahren zu nennen, gelten diese als Bestandteile geschmolzener Gläser als stabil gebunden.
Trotzdem werden Gläser von Säuren und Laugen aber auch von Wasser und anderen Flüssigkeiten angegriffen, wenn auch nur sehr langsam und in sehr geringem Ausmaß∗.
So löst sich in Wasser ein binäres Alkalisilikatglas vollständig als Wasserglas∗ auf.
Es ist u.a. die Aufgabe der 2- und 3-wertigen Oxide im Glassatz die Glasmatrix soweit zu stabilisieren, dass der hydrolytische Angriff beschränkt bleibt.
Physik der Gläser
Manchmal werden Gläser nach ihren physikalischen Eigenschaften eingeteilt:
bei optischem Glas∗ nach der Brechkraft∗ oder ihrer spektralen Durchlässigkeit∗: z.B. das Kron∗- und das Flint-Glas∗ oder diverse Filtergläser;
nach dem Wärmeausdehnungskoeffizienten∗: Hart∗- und Weichgläser∗,
oder nach Verlauf der Viskositätsskurve∗: kurze∗ und lange∗ Gläser,
wobei das hart/weich ebenso wie das lang/ kurz sich immer auf das Arbeiten mit höheren Temperaturen bezieht.
An „Sicherheitsgläser“∗ wiederum werden bestimmte Anforderungen gestellt an Stabilität und besonders zur Vermeidung von (größeren) Verletzung bei Bruch oder Unfall :
durch thermisches oder chemisches Vorspannen (’Härten’) entsteht das „Einscheibensicherheitsglas“ (ESG)∗ oder das „Gorillaglass“
durch Verkleben mehrerer Glasschichten mit reissfester Kunststofffolie das „Verbundsicherheitsglas“ (VSG)∗,
ähnlich auch das Drahtglas∗.
Glas als Zustand
Interessant ist auch die allgemeine Zustandsbeschreibung aus physikalischer Sicht von Glas als einem Werkstoff, der als unterkühlte Flüssigkeit eine extrem hohe Viskosität∗ erreicht hat (von der dann immer nur noch die Zehnerstellen genannt werden, also eigentlich den Logarithmus∗ zur Basis von 10). Glas verhält sich in beobachtbaren Zeitdimensionen bei Raumtemperatur wie ein spröder Festkörper aber weist in seinem atomaren Aufbau nach wie vor die Strukturen einer Flüssigkeit auf.
Besonders kennzeichnend ist dabei, dass sich beim Durchlaufen der unterschiedlichen Temperaturbereiche sich in einer Übergangszone allmähliche Änderungen der physikalischer Eigenschaften zeigen, ohne eine scharfe, definierte Grenze aufzuweißen.
Dabei weist die sogenannte Glas-Transformations-Temperatur T(G)∗ auf die virtuelle Temperatur der Änderung der Eigenschaften und wird z.B. als Wendepunkt der Viskositätskurve bestimmt.
Die Viskositätskurve
Die Viskosität∗ des flüssigen Glases ist zunächst das Verhältnis des Maßes einer Formveränderung in einer bestimmten Zeit durch eine bestimmte Kraft. Bei hohen Temperaturen und niedrigen Viskositäten wird oft die Zeit gemessen, die es braucht, dass ein Körper einer bestimmten Masse und Größe in der Schmelze versinkt, während für höhere Viskositäten die Geschwindigkeit einer Formveränderung bei einer bestimmten Kraft als Maß dient und für Temperaturen nahe dem Transformationspunkts die Durchbiegung oder Verdrehung eines dünnen Glasfadens herangezogen werden.
Ein Beispiel∗ : ein Glasfaden braucht unter seinem eigenen Gewicht (1/32“ x 9“ Zollmaß) bei der so genannten Littleton-Temperatur (ca. 720°C bei Normalglas), mit log(η)=6,6 für eine Verlängerung von 1 mm 1 min,
dieser Faden bräuchte somit theoretisch bei Raumtemperatur und log(η)=20 Pa s für diesen einen mm also 10 ^13,4 min; bzw.. 10 ^7,7 Jahre, also rund 50 Mio. Jahre... aber das Glas fließt! Und: Nein, 1000 Jahre reichen nicht, dass man irgendetwas sehen oder messen könnte, auch nicht bei früh-romanischen Glasbilder in Kirchenfenstern!
Für Silikatgläser liegt T(G)∗ meist bei der gleichen Viskosität von log(η) ≈ 12 Pa s, aber bei jeweils unterschiedlichen Temperaturen: von unter 450°C für Bleikristallgläser, 500°C - 520°C für viele Kristallgläser, ca. 540°C - 550°C für Kalksodagläser und bis hin zu 1130°C für reines Quarzglas. Dazu kommt eine Verschiebung von T(G) nach oben bei schnellerem Abkühlen, was dann noch auf eine besondere, strukturelle Relaxation des Glases verweist.
Neben diesem Temperaturpunkt werden meist noch die Temperaturen für log(η)= 6,6; 3,0 und 1,0 angegeben (und manchmal aber mit der älteren, eigentlich obsoleten Einheit in Poise, respektive dPa s; also 13,3; 7,6; 4,0; 2,0) und werden besonders im anglo-amerikanischen Sprachraum sehr bildlich als „annealing-, softening-, working- und meltingpoint“∗ bezeichnet, aber dieses „Erweichen“ oder „Schmelzen“ meint etwas sehr spezifisches bei der Arbeit mit Glas und ist nicht vergleichbar mit der Begrifflichkeit z.B. der Metallgießer!
Hier noch einmal der Verweis auf die 'Formelsammlung', S. 20f: "Viskositäten verschiedener Gläser".
Über die Spannung, Kühlung
Spannungen∗ entstehen durch äußere, mechanische Belastung ebenso wie durch innere Ursachen, zb. momentanen Temperaturdifferenzen oder ein inhomogener Aufbau des Glases bei Verschmelzungen und führen bei Überschreitung der Belastungsgrenze direkt zu einzelnen Sprünge bis hin zum vollständigem Bruch. Mit zwei gekreuzten Polarisationsfilter kann man diese vorhandenen Spannungen in (transparenten) Gläser direkt sichtbar machen.
Thermische Spannungen∗, wie bei der Benutzung einer Spülmaschine oder dem Einschenken von warmem Tee, werden über die unterschiedlichen Dehnungszustand auf Grund der kleinräumigen Temperaturunterschiede aufgebaut, so dass man dem Glas einfach oft nur genügend Zeit lassen muss, damit sich die Wärme ausgleichen kann und Spannungsspitzen vermieden werden.
Neben den temporären Spannungen, die nach dem Beseitigen der Ursache wieder verschwinden, gibt es auch bleibende Spannungen, die im Material gespeichert sind, im besonderen die Kompatibilitätsspannungen∗ und Kühlspannungen∗ aus den Herstellungsprozessen.
Als kompatibel∗ verschmelzbar werden zwei Gläser betrachtet, die weder in ihrem Wärmeausdehnungskoeffizient∗ noch in der jeweiligen Transformationstemperatur∗ zu stark abweichen (Δ α ≤ 3 x 10 ^-7/K), was auch z.b. Glas-Metall-Verschmelzungen schwierig macht.
Eine gesteuerte Kühlung ist immer besonders wichtig beim Arbeiten mit heißem Glas, da im Abkühlprozess innerhalb des Transformationsbereichs Spannungen residient∗ werden können und auch nach vollständigem Abkühlen über erhalten bleiben und sofort oder auch zu späterer Zerstörung führen. Es ist hier das Zusammenspiel aus einer momentanen thermischen Spannung∗, dem visko-elastischen Verhalten∗ und der zunehmenden Abnahme der Entspannungsfähigkeit des Glases mit fortschreitender Abkühlung.
Im ersten Moment ist die äußere Schicht stärker gekühlt∗ als das Innere und versucht sich zusammenzuziehen, wird aber teilweise gedehnt auf Grund der momentan noch nicht allzugroßen Viskosität, bei abgeschlossener Kühlung ist auch der Kern geschrumpft und die äußere Schicht kann sich wegen der nun sehr hohen Viskosität nicht mehr soweit zurück stauchen und steht in Umkehrung des ursprünglichen Zustands jetzt unter einer Druckspannung.
Das andere Beispiel sind die „Rupperts-Tränen“, heiß in kaltes Wasser getropfte Glasperlen mit einem dünnem, gekräuseltem Faden am Ende; die Tränen sind sehr stabil, man kann mit einem Hammer darauf schlagen, aber bricht man den dünnen Faden, der selbst auch erstaunlich fest ist, dann explodiert der ganze Tropfen in kleinste Splitter!
Die Kühlkurve
Ist die Temperatur im (Kühl)Ofen∗ zu niedrig müsste man sehr lange tempern um zu entspannen und die Gefahr eines spontanen Bruchs wegen vorhergehenden Spannungen von der Arbeit her ist sehr groß; ist die Temperatur zu hoch, ist die eigentliche Entspannungszeit zwar sehr viel kürzer, aber das Glas ist noch weich und kann sich verformen und man muss trotzdem dem Stück genügend Zeit geben, bis sich die Temperatur über alle Teile vollständig ausgeglichen hat, bevor man weiter abkühlen kann.
Bei dem weiteren Verlauf der Kühlkurve ∗ müssen dann auch die Temperaturdifferenzen im Stück berücksichtigt werden, die durch die Geschwindigkeit der Temperaturänderung des Ofens in der Glaswand neu aufgebaut werden und somit neue Kühlspannungen hervorufen; mit weiter fallender Temperatur und zunehmender Viskosität nimmt die Empfindlichkeit ab bis dann die allgemeine Temperaturwechselbeständigkeit erreicht ist. Also gibt es zuerst eine Haltephase am oberen Kühlpunkt, nahe T(G) für Temperaturausgleich und der Relaxation der vorhergehende Spannungen, darauf folgt erst eine vorsichtige Kühlrampe zum unteren Kühlpunkt, die dann mit einer steileren bis annähernd zur Raumtemperatur abschließt.
Wenn sich die Größen, aber vor allem die Dicken ändern, lässt sich z.b für eine Scheibe direkt sagen, dass mit der Dicke sowohl die zu transportierende Wärmemenge ebenso wie der widerstandsbehaftete Weg an die Oberfläche proportional zunimmt, um also das gleiche Temperaturgefälle zwischen Kern und Oberfläche zu erreichen, muss man die Zeiten mit dem Quadrat der relativen Dicke vervielfachen!
Das Arbeiten mit Glas - Glasblasen, Gießen, Biegen und Brennen...
Hüttentechniken - heißes Glas
Hat man, wie in einer Glashütte ∗, das heiße Glas aus einem Schmelzofen zur Verfügung, ist der erste Schritt für den „Glasmacher“ ∗ den Glasposten ∗ da herauszuholen, in der Regel mit einer Pfeife oder einem Anfangeisen ∗, heute meist ca. 1,5 m lange Stahlrohre, die an der heißen Seite ein Kopf aus hitzefestem und zunderfreiem hochlegiertem Chrom-Nickel-Stahl und am anderen Ende oft ein Holzgriff und als Pfeife ein Mundstück zum Einblasen haben.
Die Spitze muss einigermaßen warm sein, damit das flüssige Glas beim „Überfangen“ oder „Überstechen“ ∗ überhaupt haften kann. Durch die relativ niedrige Viskosität kann man nur eine gewisse Schichtstärke aufnehmen und das überschüssige Glas würde man wieder verlieren, da es (noch) zu schnell fließt um es zu kontrollieren. Für größere Stücken wird deswegen dieser Schritt entsprechend oft wiederholt, weshalb man auch vom „Überfangglas“ spricht, dessen Trägerglas noch einmal von einer dünnen, oft farbigen Glasschicht „überfangen“ ist.
Durch das ständige Bewegen und Drehen ∗ soll das Glas auf der Pfeife zentriert werden, Abweichungen von der Horizontale dabei treiben das Glas nach hinten oder nach vorne, schnelleres Drehen schleudert das Glas durch die Zentrifugalkraft nach Außen, ein Stehenbleiben lässt das Glas lotrecht nach unten biegen und tropfen, was aber alles im weiteren Verlauf eine der wichtigsten Mitteln zur Gestaltgebung, insbesondere der Proportionen des Stücks, darstellen.
Außerhalb des Ofens beginnt der natürliche Wärmeverlust∗ des Glaspostens, wobei kleinere Posten oder dünnere Teile schneller - dickere langsamer kühlen und damit ihre Viskosität entsprechend ändern. Damit sind auch die Temperatur und ihre Verteilung, bestimmt durch den Arbeitsrhythmus ∗ in diesem natürlichem Abkühlprozess, ein ebenso wichtiges Mittel der Gestaltung.
Meist wird die Form und Temperatur auch von außen manipuliert. Oft ist der erste Schritt vom Ofen kommend, das Rollen auf der „Marbelplatte“∗ um das Glas rund zu machen und ihm die nötige Temperatur in der richtigen Verteilung zu geben um es z.b. als „Kölbel“∗ aufzublasen. Eine ähnliche Funktion hat auch das „Wulgern“∗ mit dem Holzlöffel oder dem Packen nassem Zeitungspapier in der Hand, stehend am „Joch“ oder sitzend auf der „Bank“.
Das Verhalten der inneren Luftblase∗ in der Glasmasse hängt von der Kraft der eingeblasenen Luft gegen den Widerstand der visko-elastischen Flüssigkeit und der Zeit für das Glas um zu fließen ab. Wobei gerade am Anfang der Querschnitt mit der lichten Weite der Öffnung des Pfeifenkopfs nur klein ist und das Glas bei der entsprechend geringeren Kraft erst nur langsam, aber dann um so leichter reagiert, je größer die wirksame innere Fläche ist, dem aber andrerseits ein nun etwas weiter abgekühltem und damit zäherem Glas dagegen steht.
Die Luft macht (bei isotropem Widerstand und homogener Temperaturverteilung) innen annähernd eine symmetrische Kugel, so dass äußere Abweichungen von einer Kugel- oder besser Ei-Form des Glaspostens vor dem Aufblasen die Verhältnisse der Wandstärken bestimmt, ebenso wie unterschiedliche Temperaturzonen im Stück, z.b. nach einem Durchwärmen, bei dem sich in Umkehrung zum Abkühlen dünnere Stellen stärker erwärmen, die Luft dahin treibt, wo sie den geringeren Widerstand hat. Also spielt hier die Luft, die Temperaturverteilung und die Massenverteilung gerade für die Entwicklung des Verhältnisses der Wandstärken eine entscheidende Rolle.
Um am Ende das Stück sauber von der Pfeife trennen zu können, wird meist relativ früh ein Hals eingeschnitten, der als Kerbe eine Sollbruchstelle bildet, die Werkzeuge sind im einfachsten Fall eine Kante, über die das Glas gerollt wird. Wenn man an der Bank arbeitet, oft mit der „Auftreibschere“∗ , einer großen Pinzette ähnlich, aber mit mehr oder weniger scharfen Blätter und einem breiten Federrücken.
Bei dem „freien Blasen“∗ beschränkt man sich auf diese indirekte Formung mit dem Zusammenspiel von Schwerkraft mit der sich verändernden Viskosität des Glases. Also der Abfolge der Bewegungen, die man mit der Pfeife (und dem Glas) macht und, bei Hohlkörper, der eingeblasenen Luft. Ansonsten werden nur einzelne einfachen Werkzeuge benutzt, wie Brettchen um Flächen zu drücken, Scheren um Einzuschnüren, Nadeleisen oder Zwackeisen um einzudrücken oder (heraus) zuziehen, Schneidescheren (mit Gelenk) um Schnitte zu machen oder das separate Auflegen von frischen, heißen Glasposten als Dekor oder z.b. als Nuppen, Faden oder als Henkel.
„In Form geblasen“ setzt eine meist mehrteilige Negativform∗ voraus, oft hohl gedrechselt aus Birne oder Buche, die bis auf den Moment des Einblasens immer im Wasser bleibt. Unter Drehen (dafür die kräftigen Holzschäfte der Pfeifen!) wird der grob vorgeformte „Kölbel“ in die Form eingeblasen bis sich oben die „Kappe“ ausbildet, die später geschnitten oder abgesprengt wird.
Der Vorteil dieser Arbeitsweise, die schon die Römer genutzt haben, liegt einmal in der Reproduzierbarkeit und der Genauigkeit der (äußeren) Maße, bis hin zu Abbildung von Reliefen und einer wesentlich dünneren erreichbaren Wandstärke, aber vor allem in der Arbeitsteilung und Effizienzsteigerung bei größerer Arbeitsgeschwindigkeit.
Das „Anheften“ und „Auftreiben“ bezeichnnen weitere Arbeitsgänge∗ um aus dem immer noch geschlossenen, flaschenförmigen Stück offene Gefäße zu formen. Ist das Stück zur Hälfte (wörtlich!) soweit fertig, wird es mit einem „Hefteisen“, meist mit einem kleinen, frischem „Nabel“, angheftet, wobei die Klebestelle das Glas sicher tragen muss, aber am Ende auch leicht lösbar sein soll, damit der „Abriss“ keine zu tiefen Marken aus dem Boden herausreisst. Erst dann wird der das Glas am Hals mit einem kalten Stück Eisen gestrichen, eventuell mit einem Tropfen Wasser abgeschreckt oder mit einer scharfen Feilenkannte angeritzt und mit einem kurzen Schlag auf die Pfeife abgeschlagen und vom Pfeifennabel gebrochen.
Jetzt kann das Stück mit seiner Öffnung zuvorderst wieder in der „Trommel“ verwärmt werden. Wird das Glas an der Lippe weich, zieht es sich unter der Oberflächenspannung zusammen und die scharfen Bruchkanten werden rund. Die nun weiche Lippe und Schulter können dann, meist an der Bank, mit der „Auftreibschere“ von innen aufgetrieben werden, aber auch die Zentrifugalkraft kann eine Rolle dabei spielen, besonders wenn das Stück zu einer offenen Schale oder gar einer „Mondscheibe“ aufgeschleudert wird.
Als letzter Arbeitsschritt wird das fertige Stück wie oben beschrieben von Pfeife/Eisen getrennt und in den Kühlofen eingetragen. Sofern dieser kein kontinuierliches Band hat, wird die Tagesproduktion darin gesammelt und, nach Art, Größe und vor allem der Dicke entsprechend, in einem genau gesteuertem Kühlprozess vorsichtig abgekühlt, meist nur wenige Stunden, manchmal aber auch mehrere Tage.
Glasguss, Verschmelzen, Biegen
Neben dem direkten Gießen von heißem Glas in der Hütte, oft verbunden mit Pressen oder Walzen (Pressglas, Drahtglas, Ornamentglas), gibt es auch die Methode einer Scherbenschmelze in einer zwar hitzebeständigen aber weichen Negativform.
Es handelt sich hier, wie beim Metallguss, um ein direkten, dreidimensionalen Positiv-Negativ-Positiv Abformprozess mit dem Unterschied, dass die Objekte in der Regel massiv sind. Es stellt sogar mit die Ursprünge der Glasverarbeitung, besonders im alten Ägypten dar, deren Techniken dann in der zweiten Hälfte des 19. Jhd. in Frankreich als „Pâte de Verre“ ∗ wieder belebt wurden. Das bildhauerische Prinzip einer „verlorenen Form“ ermöglicht es dem Künstler direkt mit einem weichen Material das „Model“ zu formen, das zusammen mit einem Reservoir für die Scherben in in einer feuerbeständigen Masse eingebettet wird, heute meist Gips gebundene Schamottemassen ∗, und wieder entfernt wird (Name!), bei Wachs mit heißem Wasserdampf oder mechanisch bei Ton oder Styropor, ein offenes Relief vorausgesetzt. Die Hohlräume werden mit der passenden Menge an Glasstücke gefüllt, wobei kleinere Körnungen nicht nur mehr sondern auch kleinere Luftblasen im Stück hinterlassen, die bei den mäßig hohen Temperaturen von 800-900°C nicht aufsteigen können und die Masse mehr oder weniger trüben.
Der Brand enthält eine Trocknungs- und Schmauchphase, die Arbeitsphase und eine sehr vorsichtigen Kühlphase, so dass die Gesamtdauer oft Tage und Wochen benötigt.
Typisch sind neben den eingeschlossenen Luftblasen auch eine rauhe Oberfläche, die aber mit Schliff und Politur im kalten Zustand zu bearbeiten ist.
Ach ja, und darauf achten, dass Scherben für eine einzelne Form immer nur von einer Schmelze, Scheibe, Flasche kommen, nicht mischen! und genügend Pflaster bereithalten, das hilft, dass man (hoffentlich) keine braucht …
"Fusing": In einem ähnlichen Prozess werden auch Glasstücke flach verschmolzen, Kompatibilität vorausgesetzt gerne auch Farbgläser, für die es eine ganze Reihe von spezialisierten, hauptsächlich amerikanischen Glasproduzenten auf dem Markt gibt. Die Scheiben werden zugeschnitten, dekorativ angeordnet und gestapelt um sie zu einem einzigen 'Kuchen' eben auf einer Schamotteplatte (natürlich immer mit Trennmittel!) zusammenzuschmelzen.
„Slumping“: Manchmal werden diese Scheiben dann auch in einem zweitem Brand bei 600-700°C über einer Hohlform zu einer flachen Schale abgesenkt. Um sie noch tiefer zu ziehen, kann man sie wiederholt über immer etwas kleiner werdende Ringe weiter absenken, zu hohe Temperaturen würden hier die Wände immer dünner werden und das Glas in die Mitte zu einer 'Pfütze' laufen lassen. Nimmt man aber stattdessen erhabene Formen, über die eine Scheibe gebogen wird, erhält man eher Falten, bis hin zum „Fazoletto“ (das Taschentuch).
Und oft werden diese verschiedene Erscheinungen kombiniert, sei es in einem Brand, wie bei dem 'Pâte-de-Verre' mit der typischen Hockey-Schläger Kurve, die erst eine längere Sinter-Phase und dann ein kurzer Schmelzimpuls enthält, der aber nicht mehr in die tieferen Schichten vordringt. Oder es werden in getrennten Bränden, von heiß nach kalt, erst der Körper 'gegossen' um ihn danach zu 'verbiegen' (bzw. eleganter auf Englisch: "Fusing and Slumping").
Glasmalerei
Zwar wurden Gläser immer schon auch „kalt“ bemalt, aber die Haltbarkeit auf der glatten Oberfläche ist sehr begrenzt und verlangt einen besonderen Schutz, wie z.b. bei Hinterglasbilder.
In der Regel werden die echten Glasmalfarben, die als Pulver in den Handel kommen und erst mit einem Malmittel angerieben werden müssen, nach dem Malen bei 580-620°C eingebrannt, so dass der enthaltene Glasfluss ∗ die Glasfarben dauerhaft mit dem Trägerglas verschmilzt.
Lüsterfarben, Gold oder Platin werden als Metallresinate (in Harze gelöste Salze der Edelmetalle) aufgetragen und analog wie die Schmelzfarben oder das Schwarzlot eingebrannt und entwickeln erst nach dem Brand ihre Wirkung;
eine besondere Farbe ist das Silbergelb, eine Mischung aus Tonmehl und Silbersalzen, nach dem Brennen wird hier die Beize abgewaschen, das Silber ist in die oberste Schicht diffundiert und färbt das Glas intensiv gelb bis rot-braun, eine Erfindung der französischen Gotik aus dem 14. Jhd. .
Lampenglas
Die „Lampe“ des „Glasbläsers“, der im deutschen Berufsrecht streng vom „Glasmacher“ einer Hütte unterschieden wird, ist in der Regel ein Mehr-Gasbrenner (meist Propan, Sauerstoff und Druckluft) mit einer großen Varianz der Flammeinstellungen, der vor ihm auf dem Arbeitstisch steht. Da er auch sonst bis auf wenige Handwerkzeuge meist keine größere Einrichtungen braucht, war die „Lampenarbeit“ schon immer oft auch Heimarbeit. Verarbeitet werden Halbzeuge aus den Hütten wie Röhren und Stäbe, die punktuell oder zonenweise direkt in der Flamme erwärmt werden, während der Glasbläser sie in einem nur kurzen Abstand hantiert, um sie biegen, ziehen, stauchen und blasen oder ansetzen zu können. Typische Beispiele sind die Weihnachtskugeln, Glasschmuck und Perlen, aber auch Glasapparate für chemische Labore, Neonglasschriften oder Glasaugen (als Prothese), je mit eigener Meisterpflicht!
Die Kaltarbeit
Kleben
Normalerweise beschränken sich die Möglichkeiten kaltes Glas zu bearbeiten im Wegnehmen, aber schon seit der Antike wurde Glas auch geklebt, meist um es mit anderen Objekten zu verbinden. Die heutigen Klebstoffe, wie Silikone oder Cyanacrylate, sind auf sehr hohem Niveau und für ihre spezifische Anwendungen von hoher Sicherheit, auch wenn eine Langzeiterfahrung über Jahrhunderte natürlich einfach fehlt.
Das Schneiden
Eigentlich ein kontrolliertes Brechen entlang einer linearen, durchgehenden, oberflächlichen Verletzung der Oberfläche, z.b. durch den Schnitt eines modernen Glasschneiders mit Hartmetallrädchen oder durch das Anritzen eines Glasrohrs mit der scharfen Kante einer Feile. Es ist kennzeichnend, dass man versucht den Schnitt mit einer äußeren (Zug-) Spannung zu öffnen, wie dem punktuellen Klopfen (von der Gegenseite) und dem kontrolliertem Biegen der Scheibe, so dass der Sprung dem Schnitt entlang 'läuft'. Oder auch durch eine starke lokale Temperaturdifferenz, wie im MA mit einem heißen Eisen oder eben mit dem berühmten Spiritus getränkten und entzündeten Faden um eine Flasche (mit anschließender Schockkühlung in kaltem Wasser).
Und mit Übung klappt das auch alles ganz gut, aber ein Risiko bleibt immer, schon wegen den gemeinen 'Glasflöhen', die es mögen, dass man eine hässliche Spur mit Blutstropfen auf dem Weg zum nächsten Pflaster hinterlässt... also den Arbeitsplatz immer sauber halten!
Für tiefere Schnitte in dickerem Glas sind dann eher Diamantwerkzeuge∗ mit Wasserspülung geeignet, wobei hier mechanische oder thermische Spannungen zu vermeiden sind: genügend Wasser und geringer Druck bei hoher Korngeschwindigkeit sowie exakte Führung sind wichtig! Und natürlich ein ruhiges, geschlossenes Sägeblatt, das nicht am Glas reißt, denn eigentlich ist das Sägen nur ein Schleifen eines sehr schmalen Schnitts.
Das Schleifen und Polieren
Um effektiv Material abzutragen, braucht es ein ausreichend hartes Schleifkorn. Im einfachsten Fall als loser Schleifsand aus Schmirgel, Korund∗ oder Siliziumkarbid∗.
Und wie angedeutet gibt es auch die verschiedensten Schleifmaschinen für Glas, aber immer mit Wasser: punktuelle Reibungswärme wird von Glas nur beschränkt toleriert! Genannt seien hier: der Scheibenkasten mit Eisenscheibe oder Natursandstein, das Kugler- und Graveurzeug mit horizontaler Welle und oft bleibegossenen, keramisch gebundenen Schleifscheiben.
Der Grobschliff benutzt oft Schleifmittel mit einem 80-120er Korn SiC (meist schwärzlich und leicht glitzernd), der Feinschliff dann mit 180-240er Korund (oft rotbraun, dem natürlichen Schmirgel von Naxos, Griechenland, nachempfunden, aber auch als weißes Aluminiumoxid), wobei die Kornzahlen nach FEPA etwas über die Zahl der Fäden je Zoll der Siebe beim Klassieren aussagt, während bei Diamantwerkzeuge die Größe des Korns in Mikrometer angegeben wird.
Das "Vorreissen" (Grobschliff) verändert die makroskopische Form selber und bleibt im trockenen Zustand weiß, während das "Feinmachen" nur noch die Oberflächenqualität als Vorstufe zum Polieren soweit verbessert, dass mit der Politur keine Riefen und Körnungen herauskommen (was sie gerne tun...) und gibt ein feines Matt .
Poliert wird seit Alters her mit Bimsmehl und Kieselgur∗, auf Pappel-, Kork- oder Filzräder als wässriger Brei aufgetragen, daneben gibt es Polierrot (Eisenoxid), Poliergrün (Chromoxid) bis hin zu modernen Poliermittel mit der Basis von Ceroxid.
Am Schluss wird meist ein kleiner Geradschleifer und Gravierschleifstifte für die Signatur benutzt.